13 | Neolution - Nils Straatmann

Und dann? Was kommt morgen und übermorgen? Welche Themen werden die Welt in der Zukunft bewegen, wie muss Kommunikation funktionieren und gibt es pulsmacher in 20 Jahren überhaupt noch?

Nils Straatmann hat für „Neolution“ versucht, von Jens, Jochen, Thorsten und dem pulsmacher-Team Antworten auf diese Fragen zu bekommen.

Text

Ludwigsburg. Weststadt. Kurz vor Ende der Nacht.

Am Wegrand rauschen Gräser. Drei Gestalten auf dem Sims eines Dachs.

In der Hand je ein Sektglas, Gin Tonic, gekühlt.

Die Seiten der Schläfen allmählich ergraut, zu viel ham sie damit gefühlt.

 

Leise hört man sie Wispern:


Wisst ihr noch damals? Als es noch Mark gab?

Manchmal träum ich vom Dezember 99.

Als wir noch mit Kohle heizten, aus Angst, dass bald der Winter kommt.

Stuttgart war noch 1. Liga – und O2 hieß Viag Intercom.

 

Zwischen den Beinen des einen kann man die Schnur eine Angel im Dunkel der Nacht seh’n.

Blei schlägt auf Grund. Kammererstraße 18.

 

Als das Leben immer hektischer wurde, mussten wir lernen, uns der Zeit zu entziehen. Wir wussten, wir konnten die Vergangenheit nicht verändern. Deshalb musste es darum gehen, eine bestmögliche Zukunft zu schaffen.

 

Alles wurde schneller und schneller

Alles wurde mehr und mehr krass

Wir drehten uns wie ein Propeller,

aus Angst, dass man etwas verpasst.

 

Alles wurde immer vernetzter

Alles war nur noch auf Hype

Wir hoben ein randvolles Sektglas

Auf das was schon lange vorbei

 

Als die Zukunft immer unberechenbarer wurde, mussten wir lernen, aus der Unsicherheit eine Tugend zu machen. Es gab keinen Status Quo mehr, alles war im Fluss, ständige Veränderung. Der Trick war, dass wir nie versuchten, mitzuhalten, sondern mitzugestalten. Wer seiner Zeit voraus war, den trafen Veränderungen nicht so hart.

Es gab ein paar Regeln:

Wir wollten niemals aufhören, neu anzufangen.

Wir wollten niemals aufhören, Dinge zum ersten Mal zu machen.

Wir wollten niemals aufhören, uns inspirieren zu lassen,

und wir wollten uns niemals die Chance nehmen, Fehler zu machen.

Und wenn wir sie machten, dann mit Lust, Leidenschaft und Überzeugung.

 

Damals als es keine Götter mehr gab, und keine Götzen, kein Vertrauen mehr in Politik, Marken oder Wissenschaft, als alles hinterfragbar wurde, mussten wir lernen, dass wir Vertrauen nur über Selbstbewusstsein gewinnen konnten. Es ging schon lange nicht mehr um Produkte, Marken oder Acts – es ging um Mindsets. Und für uns selbst ging es darum, uns unserer selbst bewusst sein. Darum, dass wir wussten, wer wir waren und liebten, was wir taten. Wenn wir fühlten, dass etwas richtig war, konnte es nicht falsch sein. Und wenn wir fühlten, dass es falsch war, konnte es für uns nicht richtig sein. Wir wollten unabhängig sein. Und zeitlos. Und dadurch eine Konstante.

Wir wussten, dass wir die Vergangenheit nicht ändern konnten. Deshalb

Damals als wir allmählich bemerkten, dass wir selbst nicht zeitlos waren, mussten wir lernen, dass es nie um uns gegangen war. Es wäre vermessen gewesen, zu sagen, dass wir das alles selbst geschaffen hatten. Dass diese ganze Scheiße wir waren. Es war viel mehr als das. Wenn wir je irgendetwas geschaffen hatten, dann ein Team. Ein Team, dass uns viel größer gemacht hat, als wir selbst je hätten werden können. Dass unsere Idee viel größer gemacht hat, als wir sie uns je hätten vorstellen können. Wenn man eine Steinkuppel richtig stapelt, kann man die Stützen entziehen, ohne dass das Gebäude an Stabilität verliert.

Wir hofften, wenn wir gehen, würden sie uns vermissen.

Aber wir wussten, wir würden nicht fehlen.

Das war ein gutes Gefühl.

 

Ludwigsburg, Weststadt, Kammererstraße 18, noch immer. Der Himmel trägt jetzt dieses Orange. Dieses Orange, dass er nur trägt, wenn die Nacht eigentlich schon vorbei ist. Die drei Gestalten sehen müde aus. Und glücklich. Weil sie wissen, dass sie in dieser Nacht großes geschaffen haben.

 

Das hier ist kein Abgesang. Nichts ist je zu Ende.

In allem liegt ein Neuanfang. Es komm’n noch großartige Momente.