06 | The True Story (Part 2) -Nils Straatmann

pulsmacher war schon immer ein Projekt, das sich stetig weiterentwickelt und immer aus sich heraus verändert – mehr denn je in Teil 2 der wahren Geschichte von 2016 bis heute.

Neben Jens und Jochen hat für Teil 2 auch der neue Mit-Geschäftsführer Thorsten Weh unserem Autor Nils Straatmann sein Herz ausgeschüttet.

Text

Mama K am DJ Pult

in der Radio Bar, Abrissparty, sicher zwanzig Jahre jünger

Mama S am Tanzen, das Hemd klebt nass am Körper,

sicher zwanzig Jahre dünner

 

Da klebt ein Fleck in der Ecke

Riecht nach Aperol Sour

Da tropft noch Sekt von der Decke

All die Partys überdauert

 

Zeitraffer.

Die zwei stoßen an, da ist ein Kribbeln im Bauch

Ein Gefühl von was Neuem und Neugierde auch

Zuneigung wächst, und bald auch Vertrau’n

Da stehen bald Fragen und Namen im Raum

5 Jahre im Rausch nur Urlaub Zuhaus

lauter schlaflose Nächte, nur Geld leider kaum

 

Dieses Gefühl, wenn man fast platzt vor Energie. Weil man nicht weiß wohin damit.

Wenn du weißt, dass gleich irgendwas passiert, irgednwas, und du bist sowas von da, sowas von da, nur der Moment…

 

Max Maier, die Weststadt, an der Pulsbar zu Weihnachten

Ideen, viel zu groß, doch in alles kann man reinwachsen

 

Drei Jahre später Strobo in Lubu,

Krawatte sitzt, Hemd perfekt, Gespräch mit Joko Uno

Jemand warf Videos an die Wand, jemand aus New York, sehr angesagt und wir hatten jetzt Haare am Sack, waren erwachsen geworden mit, Esprit unter den Achseln. Wir fühlten uns wahnsinning groß. Und vielleicht auch ein bisschen größenwahnsinnig.

Es gab verdammt viel zu Lernen, es wurden Fehler gemacht

Wie alle hatten wir Probleme – aber nie fehlende Leidenschaft

Ne Zeit lang hatten wir zwei Büros

Und uns dann irgendwie auseinandergelebt

Denn mit der Distanz

Ham wir nicht mehr erkannt,

was der eine so fühlt und wies dem anderen geht

Das war ne harte Zeit.

Und ne geile Zeit.

Mit viel Energie.

Und am Ende wurden Risse aneinandergenäht.

 

Da hängen Bilder an der Wand

Da sind Momente installiert

Jedes da ein Jahr das war

Auf Leinwand fokussiert

 

Scherenschnitte alter Mythen, die über Leinwände tanzen, die Geschichte eines Kusses in Bild, Text und Licht. Papierstapel auf dem Weg nach oben, gesprengte Ketten im Zwiegespräch, die Koordinaten zu einem noch geheimen Ort. Ein Kind. Ein Countdown. Ein Beil. Jemand niest.

Momente, die die Zeit maßen.

 

Dann warn 15 Jahre rum, Rock’n’Roll, alles selber gebaut

Nebel und Rauch, viel zu grell, viel zu laut,

Mama S langsam grau

die Polas an der Wand langsam blass und verstaubt.

 

Wir waren mittlerweile sicher 20 Leute. Full Service, 3D, 720°, mit Glitzer. Die Architektur ging durch die Decke. Wir machten unsere eigenen Ausstellungen, Empire state of the Art. Wir hatten eigene Künstler unter Vertrag, veritable Vernissagen, eine eigene T-Shirt Kolllektion, dieses Gefühl, wenn man fast platzt vor Energie. Und dann fließt alles raus, und man kann es kaum einfangen, kann sich kaum einfangen und alles wird immer mehr und immer bedeutender, und dann muss man aufpassen, dass die Energie nicht verloren geht, weil diese Momente, diese Momente…

Mama W war jetzt da. Natürlich. Ein genauso erfolgloser Musiker wie wir. Vielleicht müssen manche Träume einfach platzen, damit man weiß, welche man sich erfüllen kann. Der Kopf der Grafik, sein Kopf selbst eine grafische Ikone aus Haar und Bart. Wir wollten jetzt Nachhaltiger werden, der Nachhall der letzten Party. Und ohnehin waren wir ja im Grunde nur drei upgecyclete Musiker aus dem Stuttgarter Nachtleben.

 

Da stehen in Kisten an der Wand

Zu Regalen umgestaltet

Darin Ideen, Erinnerungen

Geremixed und recyclet

 

Die Weststadt war mal eine Vision gewesen,

unser Coming-of-Age-Film.

So viel unsrer selbst drin,

im Grunde ein Statement,

aber irgendwie nach 11 Jahren vorbei

denn wenn Visionen sich überholen, werden sie zum Mainstream

und das wollten wir nie sein

 

Wir waren immer schon im Morgen

Und kamen dann im heute an

Irgendwas war festgefahren, da half uns auch kein Steuermann

Manches braucht nen Happy End

Doch wir brauchten nen Neuanfang

 

Wir hatten uns verliebt. Alles war neu und alles war aufregend und alles fühlte sich ganz anders an als vorher. Das war keine Übung. Das war keine Show. Das war der Marmorboden des hässlichsten Gebäudes der Stadt. Und wir waren Pfadfinder. Auf der Suche nach neuen Wegen. Auf der Suche nach neuen Orten. Auf der Suche nach uns. Das alles hatte so viel Potenzial, scheiße zu werden. Und es wurde so scheiße geil. Auf der Eröffnungsfeier tanzten die Toten! Und nach einem halben Jahr hatten wir da, wo 5 Jahre lang nichts gewesen war, einen Treffpunkt geschaffen, der glücklicherweise unser Arbeitsplatz war. Wir kamen mit nicht viel mehr als uns. Aber das war so viel mehr als wir dachten.

XXX Monate später dann der heißeste Tag im Jahr. Die Marshmallows brieten auf dem Asphalt, wir hatten Fußbodenheizung, aber keine Ventilatoren. Wir waren jetzt an einem neuen Ort. Ein Ort mit Tafel für gutes Essen, und natürlich Karl, dem Koch dazu. Mit einem Team, das mehr ist als das.

Ein Ort der offen ist, ganz unverpackt, von allem Ballast befreit. Ganz Bio. Und Neo.

 

Und das ist unsere Geschichte. So wahr, wie sie nur sein kann.

Wir wollten Dinge schaffen, die überdauern. Dinge, die mehr sind als sie müssen.

Jedes Mal wieder. Im Grunde: geilen Scheiß machen.

Groß denken, größer als alles. Und anschließend da reinwachsen.

Und sicher war nicht alles so schön wie es heute scheint

Aber sicher waren auch wir nie so schön wie wir heute sind

Über allem liegt ein Glitzer, über allem liegt ein Schimmern,

denn es ist nie, was wir tun, es ist, was wir erinnern.

 

Da schlägt ein Puls in meinem Kopf

Treibt mich jeden Tag an

Der Blick geht nach vorn

Auf das, was noch kommt

Und nebenan

Pulsieren Momente

ein Leben lang

 

Ich weiß noch, wie ich den Tag schon riechen konnte. Der Himmel war ganz orange und ich war müde und ich war glücklich. Weil ich wusste, dass ich etwas Großes erlebt hatte.